22. Dezember 2017
Strafanzeige gegen mehrere Mitarbeiter des Landesdirektion Sachsen (LDS) wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB durch einen Automatenaufsteller
Aufgrund eines „dringenden Verdachts der Beugung des höherrangigen EU-Rechts zum Nachteil von Spielhallenbetreibern“ hat ein Automatenaufsteller aus dem südlichen Hessen Strafanzeige gegen die Mitarbeiter „Z.“, „Schm.“ und „Sch.“ der Landesdirektion Sachsen gestellt. Eine Bemerkung von Herrn Rechtsanwalt Günter Utikal, Viernheim, erschienen unter ISA-LWA am 18.10.2017, befasst sich mit dieser Problematik. Ich darf ich Ihnen den Artikel nachfolgend ungekürzt und unverändert vorstellen.
„§ 339 StGB lautet: Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
Hintergrund der Strafanzeige ist die nachgewiesene absichtliche Weigerung dieser Mitarbeiter, in glücksspielrechtlichen Konzessionsverfahren das höherrangige Unionsrecht zu beachten.
Den Mitarbeitern war unmissverständlich mehrfach mitgeteilt worden, dass das EU-Recht, also insbesondere die Grundfreiheiten sowie das daraus folgende Transparenzgebot einschließlich der umfangreichen Rechtsprechung des EuGH, auch in Sachverhalten Anwendung findet, die auf den ersten Blick keinen grenzüberschreitenden Bezug haben.
Denn der Bereich des Betriebs von Spielhallen hat die sogenannte Binnenmarktrelevanz, weil EU-Unternehmen Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Spielhallen in Deutschland haben und Geräte von Herstellern aus anderen EU-Ländern in großer Zahl in Deutschland aufgestellt werden.
Deshalb hätten die Mitarbeiter der LDS die Grundfreiheiten sowie das daraus folgende Transparenzgebot beachten müssen.
Die Mitarbeiter der LDS waren unter anderem auf die EuGH- Entscheidungen Parking Brixen, Rn. 55; Admiral Casinos, Rn. 22; Regiopost, Rn. 51; Grupo Itevelesa u.a., Rn. 36; Berlington Hungary, Rn. 27; Belgacom, Rn. 28, 29; Sokoll-Seebacher, Rn. 10; Soa Nazionale Costruttori, Rn. 48; Venturini u.a., Rn. 25; Liebert u.a., Rn. 34; GarkaIns, Rn. 21; Blanco Pérez u. Chao Gómez, Rn. 40; Attanasio Group, Rn. 24; Unis, Rn. 27 und Pfleger, Rn. 23 explizit und mehrfach hingewiesen worden.
In all diesen Entscheidungen hat der Gerichtshof unmissverständlich klargestellt, dass auch in Sachverhalten, die auf den ersten Blick nicht über den Mitgliedstaat hinausreichen, dass Unionsrecht insgesamt anzuwenden ist, weil es sich nicht ausschließen lässt, dass auch ein Unternehmen aus dem EU-Ausland Interesse an der betreffenden Dienstleistung hat.
Dennoch haben die Mitarbeiter der LDS in den Konzessionsverfahren negativ über Konzessionsbewerbungen entschieden und dabei das höherrangige und unmittelbar anwendbare Unionsrecht ausgeblendet sowie bewusst zum Nachteil des Bewerbers falsch gehandhabt.
Das Strafrecht dient zum Erhalt von Recht und Ordnung, das durch die Normenhierarchie einschl. dem Anwendungsvorrang vorgegeben ist. An der Spitze der Normenhierarchie steht das primäre Unionsrecht, das die Verträge (EUV/AEUV) einschließlich ihrer Protokolle, Anhänge und Erklärungen, die GRCh (Art. 6 I EUV) sowie Rechtsquellen gleichen Ranges umfasst.
Die Bundesrepublik verpflichtete sich bereits mit der Grundgesetz- änderung (Art. 23,1), und dem Zustimmungsgesetz zu den Unionsverträgen (1038 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 27, ausgegeben zu Bonn am 14. Oktober 2008) nebst der Erklärung Nr. 17 durch eine einseitige völkerrechtlich verbindliche Erklärung, dem Unionsrecht Vorrang vor nationalem Recht zu gewähren.
Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft” zum 1. Dezember 2009 wurde die neue Europäische Union geschaffen und die EU- Grundrechtecharta (GRC) rechtsverbindlich, an die alle EU-Länder gebunden sind.
(vgl. u.a. BFH Urteil, V R 17/13, EuGH C-617/10, Fransson, EuGH- Pfleger, C-390/12, EuGH-Berlington C-98/14, Rn 74 ff).
Damit verstößt jede Rechtsprechung bzw. Rechtsauslegung die sich nicht auf das Unionsrecht zurückführen lässt, gegen das Rechtsstaatsprinzip und erfolgt rechtswidrig.
Unzulässige Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 ff. AEUV, der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 ff. und 56 AEUV führen zugleich auch zu einer nicht gerechtfertigten Beschränkung der einschlägigen Unionsgrundrechte, namentlich die Berufsfreiheit (Art. 15), der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRC) und das Grundrecht auf Eigentum (Art. 17 GRC). (vgl. in diesem Sinne u.a. Urteile Berlington C-98/14, Rn 34, Pfleger C- 390/12, Blanco und Fabretti, C-344/13 und C-367/13, EU:C:2014:2311, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In den Schlussanträgen zur Rs. Online Games (C-685/15, Rn. 30ff ) vom 9. März 2017 legte die Generalanwältin E. SHARPSTON unter dem Kapitel „Anwendbarkeit der Charta und der Menschenrechtskonvention“ dar, dass Verwaltungsübertretungen auch nach dem Gemeinschaftsrecht als strafbare Handlung zu werten wären.“
Kontakt: Rechtsanwalt Günter Utikal, Kirschenstraße 81, D-68519 Viernheim
Quelle: isa-guide, https://www.isa-guide.de/category/isa-law