28. Februar 2020
Ansprüche eines Geschädigten bei Sturzunfall auf einer technisch mangelhaften Treppe aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Ein Sturzunfall auf der technisch mangelhaften Treppenanlage einer bayerischen Großklinik veranlasste die Geschädigte, sich mit einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben an den Haftpflichtversicherer der Klinik wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu wenden. Die Treppe zeigte im Zeitpunkt des Sturzunfalls in mehrfacher Hinsicht Abweichungen von den Vorgaben Bayerischen Bauordnung, der „Treppen-DIN" 18065:2015-03, der DIN 18040-1:2010-10, Öffentlich zugängliche Gebäude und gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik. Wegen der technischen Fehlerhaftigkeit der Treppe steht der Geschädigten die Beweiserleichterungsregel des so genannten Anscheinsbeweises zur Seite.
Der Sturzunfall ereignete sich nach dem Verlassen des Klinikums auf der Zuwegung zu den Parkplätzen bei Tageslicht an einer Ausgleichsstufe mit drei Treppenstufen. Diese Treppenstufen, waren weder durch farbliche Markierungen, noch durch farbliche Unterscheidung vom Belag der Treppe und dem Belag der Zuwegung erkennbar; es fehlten Warnhinweise an der Treppen, sowohl mittels Text als auch Piktogrammen.
Die Ausgleichsstufe besitzt drei Steigungen und bildet deshalb einen Treppenlauf nach der Treppen-DIN 18065 DIN 18065:2011-06, Nr. 3.12. Die Abmessungen der Stufen dieses Treppenlaufs sind mit jeweils abweichenden Treppenauftritten und Steigungen unregelmäßig ausgebildet:
Die vom Bauherren so gewählten Stufenmaße führen zu einem Neigungswinkel der Treppe von 24,7°.
Es ließen sich eine Vielzahl technischer Abweichungen von gesetzlichen und DIN-Vorschriften nachweisen.
Abweichungen von Anforderungen an Treppen nach der Treppen-DIN 18065:2015-03
a. Zulässige Auftrittstiefe und Steigung
Bei Treppen mit mittlerem Neigungswinkel von 24° bis 36° gelten Stufen als ausreichend bemessen, wenn folgende Maße eingehalten werden:
Auftrittstiefe Steigung
26,00 cm bis 32,00 cm 14,00 cm bis 19,00 cm
Gemäß DIN 18065 Nr. 6.1.1. liegt das Minimum einer Steigung, welches nicht unterschritten werden darf bei 14,00 cm.
Auftrittstiefe und Steigung der gegenständlichen Treppe stellen sich wie oben aufgeführt dar. Vorliegend liegt die Steigung an der unteren Treppenstufe mit nur 12,80 cm klar unterhalb des zulässigen Wertes von 14,00 cm und die Auftrittstiefe der obersten Stufe mit 34,50 cm liegt klar oberhalb des zulässigen Wertes von 32,00 cm. Dies stellt einen technischen Mangel dar.
b. Steigungsverhältnisse und Schrittmaßregel
Das Steigungsverhältnis „s/a“ von Treppenstufen muss sich an der (menschlichen) Schrittlänge orientieren, um einen unbeeinträchtigten Bewegungsablauf zu erlauben. Für verschiedene Neigungswinkel treffen unterschiedliche Bemessungsregeln zu. Je steiler eine Treppe ist, desto größer sollte die Schrittlänge gewählt werden. Vorliegend liegt der Neigungswinkel bei 24,7° (siehe Grafik).
Treppen mit mittlerem Neigungswinkel (von 24° bis 36°), wie vorliegend, sollen nach folgender allgemeiner Schrittmaßregel berechnet werden: a + 2s = 59 cm bis 65 cm. Dies ist festgelegt bereits in der DIN 18065, dort in Nr. 6.1.2.
An den Stufen der Ausgleichsstufe ergeben sich konkret die folgende Maße
unterste Stufe a + 2s = 30,30 cm + 25,60 cm = 55,90 cm
mittlere Stufe a + 2s = 30,30 cm + 29,00 cm = 59,30 cm
oberste Stufe a + 2s = 34,50 cm + 28,00 cm = 62,50 cm
Daraus folgt, dass die Schrittmaßregel der DIN 18065, Nr. 6.1.2 an der untersten Stufe unterschritten wird; diese ist somit um 3,10 cm zu kurz gebaut. Dies stellt einen technischen Mangel dar.
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.2 sind Setzstufen (Steigungen) mit sich verringernder Höhe oder Trittstufen (Auftritt) mit sich verjüngender Tiefe nicht geeignet. Dies ist vorliegend der Fall und stellt einen technischen Mangel dar.
c. Fehlende Handläufe
Nach DIN 18065, Nr. 6.9.1 müssen Treppen auf mindestens einer Seite einen festen und griffsicheren Handlauf haben; dessen Höhe im Bereich zwischen 80 cm und 1,15 m liegen darf. Die zu greifende Breite des Handlaufs sollte mindestens 2,50 cm und höchsten 6,00 cm betragen. Auch Art. 32 Abs. 1 BayBO fordert, dass Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf haben müssen[1].
Der im Zeitpunkt des Sturzunfalls fehlende Handlauf stellt einen technischen Mangel der Treppe dar.
Abweichungen von Anforderungen der DIN 18040-1:2010-10, Öffentlich zugängliche Gebäude
a. Steigungen und Auftritte
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.2 sind Setzstufen (Steigungen) mit sich verringernder Höhe oder Trittstufen (Auftritt) mit sich verjüngender Tiefe nicht geeignet. Danach ist die vorliegende Treppe ungeeignet.
b. Handläufe
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.3 müssen beidseitig von Treppenläufen Handläufe einen sicheren Halt bei der Benutzung der Treppe bieten. Die Handläufe sind so zu gestalten, dass sie griffsicher und gut umgreifbar sind und keine Verletzungsgefahr besteht.
Im Zeitpunkt des Sturzunfalls war diese Anforderung nicht erfüllt, sodass die Treppe seinerzeit technisch mangelhaft war. Handläufe wurden erst Monate später installiert.
c. Orientierungshilfen an Treppen und Einzelstufen
Die Elemente der Treppe müssen gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.4 leicht erkennbar sein; dies wird z. B. erreicht mit Stufenmarkierungen aus durchgehenden Streifen, die folgende Eigenschaften aufweisen
- auf Trittstufen beginnen sie an der Vorderkante und sind 4 cm bis 5 cm breit;
- auf Setzstufen beginnen sie an der Oberkante und sind mindestens 1cm,
vorzugsweise 2 cm breit;
- sie heben sich visuell kontrastrierend gegenüber Tritt- und Setzstufe ab, als auch
gegenüber den jeweils unten anschließenden Podesten ab.
Bei bis zu drei Einzelstufen und Treppen, die frei im Raum beginnen oder enden, muss jede Stufe mit einer Markierung versehen werden. Das Fehlen jeglicher Markierung bzw. Orientierungshilfe stellt einen technischen Mangel der Treppe dar.
Anforderungen der Bayerischen Bauordnung an Treppen in baulichen Anlagen
a. Generelle Anforderungen an die Verkehrssicherheit
Gemäß Art. 14 Abs. 1 BayBO müssen „bauliche Anlagen verkehrssicher“ sein. Die Vorschrift gilt für bauliche Anlagen in all ihren Teilen. Art. 14 Abs. 1 BayBO knüpft an die zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB) an und stellt die öffentlich-rechtliche Forderung an die Verkehrssicherheit neben sie. Der Schutzzweck zielt ab auf den Benutzer baulicher Anlagen im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BayObLG,Urteil vom 05.12.1977, RReg 2 Z 208/76 zu Bauordnungsrechtliche Vorschriften als Schutzgesetz i. S. d. BGB 823).
Jede bauliche Anlage muss so angeordnet, errichtet, geändert und unterhalten werden, dass durch sie für Menschen, die sich darin aufhalten oder verkehren, keine Gefahren entstehen und weder durch sie noch durch ihre Benutzung der allgemeine Verkehr gefährdet wird (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 2 und 3 zu Art. 14).
Die Vorschrift geht von dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz des § 823 BGB aus, dass derjenige, der durch eine bauliche Anlage und durch deren Benutzung für andere Gefahrenquellen schafft, z. B. dadurch, dass er Menschen auf seinem Grundstück verkehren lässt, auch die zur Abwendung der hieraus Dritten drohenden Gefahren notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat. Für die Beachtung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB sind die bauaufsichtsrechtlichen, auf allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen beruhenden speziellen Vorschriften der BayBO heranzuziehen (siehe BayObLG, Urteil vom 05.12.1977, RReg 2 Z 208/76).
Art. 14 BayBO enthält den allgemeinen Grundsatz, dass die bauliche Anlage selbst und die dem Verkehr dienenden, nicht überbauten Flächen bebauter Grundstücke verkehrssicher sein müssen. Dies bedeutet, dass die bauliche Anlage und ganz besonders ihre einzelnen Bauteile, wie Treppen, Flure, so ausgestaltet und unterhalten werden, dass die Nutzung der Anlage möglich ist, ohne dass Gefahren für die sie benutzenden Personen ausgehen (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 1 zu Art. 14).
b. Eingeführte Technische Baubestimmungen und allgemein anerkannte Regeln
Die als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Dies sind vor allem die DIN-Vorschriften, die wichtige Sicherheitsanforderungen formulieren und der Gefahrenabwehr dienen (siehe Bayerische Technische Baubestimmung , BayTB -, vom Oktober 2018). Die BayTB sind wie Rechtsvorschriften zu beachten, hierzu zählen:
- A 4.2.1 Gebäudetreppen DIN 18065:2015-03
- A 4.2.2 Barrierefreies Bauen DIN 18040
- Öffentlich zugängliche Gebäude DIN 18040-1:2010-10
Innerhalb der Gesamtheit der technischen Regeln gibt es eine Gruppe, die allgemein als anerkannte Regeln der Technik anerkannt ist (Art. 3 Abs. 2 Satz 4 BayBO). Diese haben gem. Abs. 2 Satz 4 eine gesetzliche Regelvermutung (DIN-Vorschriften, Vorschriften der Berufsgenossenschaften, besonders Unfallverhütungsvorschriften).
c. Bestimmungen zum Handlauf an Treppen nach Art. 32 Abs. 6 BayBO
Gemäß dieser Bestimmung müssen Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf haben (Satz 1). Für Treppen sind Handläufe auf beiden Seiten und bei großer nutzbarer Breite auch Zwischenhandläufe vorzusehen, sowie es die Verkehrssicherheit erfordert.
Für Treppen im Freien, die im Zugang zu Gebäuden liegen, gelten die gleichen Anforderungen wie für Treppen in Gebäuden. Bei Freitreppen mit großem öffentlichen Verkehr können Überdachungen gefordert werden (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 36 und 41). Nachdem im Zeitpunkt des Sturzunfalls jegliche Handläufe gefehlt haben, stellte dies einen technischen Mangel dar.
d. Anforderungen nach Art. 48 Barrierefreies Bauen und DIN 18040-1:2010-10
Für Einrichtungen des Gesundheitswesens, hier für das Klinikum Ingolstadt, gilt gemäß Art. 48 Abs. 2 Nr. 3 BayBO, dass die dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teile barrierefrei sein müssen. Der einzufordernde Standard wird durch die eingeführten Technischen Baubestimmung DIN 18040 - Barrierefreies Bauen, Planungsunterlagen, Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude DIN 18040-1:2010-10 formuliert. Mit der Bekanntmachung vom 30.11.2012 wurde die Verbindlichkeit dieser Technischen Baubestimmung zum 01.07.2013 eingeführt.
Die Anforderungen an die barrierefreie Erreichbarkeit werden für Einrichtungen des Gesundheitswesens durch die als Technische Baubestimmung eingeführte DIN 18040-1:2010-10 konkretisiert.
Die Abweichungen der bestehenden Treppe im Zeitpunkt des Sturzunfalls von der DIN 18040-1:2010-10, welche zu technischen Mangelhaftigkeit der Treppe führten, wurden oben bereits dargestellt.
e. Anforderungen an Treppen nach den allgemein anerkannte Regeln der Technik
Zu den nach Art. 3 Abs. 2 Satz 4 BayBO als allgemein anerkannte Regeln der Technik beachtlichen Vorschriften zählen auch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, Verkehrswege, ASR A1.8 vom November 2012 sowie Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften.
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 1 lautet:
„Treppen sind so zu gestalten, dass diese sicher und leicht begangen werden können. Das wird erreicht durch ausreichend große, ebene, rutschhemmende, erkennbare und tragfähige Auftrittsflächen in gleichmäßigen, mit dem Schrittmaß übereinstimmenden Abständen.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 2 Satz 2 lautet:
„Die Treppenstufen sollen kontrastreich und möglichst ohne störende Blendung des Benutzers ausgeleuchtet sein.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 4 Satz 2 lautet:
„In Arbeitsstätten darf die Steigung (s) zwischen 14 bis 19 cm, der Auftritt (a) zwischen 26 bis 32 cm und der Steigungswinkel (α) zwischen 24° bis 36° variieren.
In Versammlungsstätten, Verwaltungsgebäude Steigung (s) 15 bis 17 cm
Gewerbliche Bauten, sonstige Gebäude Steigung (s)
16 bis 19 cm.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 10 lautet:
„Treppen müssen:
- einen Handlauf haben
- an beiden Seiten Handläufe haben, wenn die
Stufenbreite mehr als 1,5 m beträgt und
- Zwischenhandläufe haben, mit denen die Stufenbreite
in zwei gleiche Breitenabschnitte unterteilt wird, wenn
sie mehr als 4,0 m beträgt.“
Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, weicht die Treppe auch von den ASR A1.8 ab, als ihre Stufen weder erkennbar, noch kontrastreich gestaltet sind; an der untersten Stufe mit 12,50 cm die Mindeststeigung in jeder Hinsicht unterschreitet und es ihr im Zeitpunkt des Sturzunfalls an Handläufen ermangelte. Auch nach der ASR A1.8 stellt sich die Treppe also als technisch mangelhaft dar.
Vor dem Hintergrund, dass der von meiner Mandantin eingeschlagene Weg ein ständiger Weg von Beschäftigten des Klinikums ist, weil diesen Weg nämlich die Auszubildenden der verschiedenen Berufsfachschulen des BBZ-Gesundheit sowie die Lehrkräfte der Praktischen Ausbildung gehen müssen, wenn sie vom Schulgebäude an die Arbeitsplätze im Klinikum wechseln, sind insbesondere die nicht verhandelbaren ASR maßgeblich.
Auch soweit technische Maße und Gestaltung der Treppe gegen Vorschriften der Berufsgenossenschaften zur Unfallverhütung verstoßen, liegen Verstöße gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik vor. Diese decken sich weitestgehend mit den vorstehend dargelegten Verpflichtungen des Bauherren bzw. dessen, der die Sachherrschaft ausübt und den öffentlichen Verkehr dort zulässt.
Auch in dieser Hinsicht stellte sich die Treppe im Zeitpunkt des Sturzunfalls als technisch mangelhaft dar.
Fehlende Erkennbarkeit der Ausgleichsstufen als Risikofaktor
Der Sturzunfall meiner Mandantin auf dem Wege vom Hauptausgang des Klinikums über den überdachten Zugang hin zum Schulgebäude ereignete sich, weil meine Mandantin den für sie nicht erkennbaren Treppenlauf der dortigen Ausgleichsstufen benutzen musste.
Für Nutzer, welche sich vom Haupteingang des Klinikum entfernen, ist es aufgrund der baulichen Gegebenheiten wie der baulichen Konstruktion des überdachten Zugangsbereichs, der Ausdehnungen und der Bodenbeläge sowie der Optik und der Lichtverhältnisse erst sehr spät, wenn nicht sogar überhaupt nicht erkennbar, dass sie sich auf eine Treppe zubewegen. Je größer der Abstand von der Treppenanlage ist, desto weniger sind für einen Besucher die vor ihm liegenden Stufen erkennbar. Da beim Verlassen eines Gebäudes gemeinhin ein oder zwei kurze/r Blick/e reichen, um die Beschaffenheit und Barrierefreiheit des vor einem liegenden Weges zu prüfen, kommt in diesem Fall die Treppenanlage umso überraschender.
Auf die Existenz der Treppe wird der Besucher heute, nicht aber zum Unfallzeitpunkt meiner Mandantin, durch von weitem erkennbare Handläufe hingewiesen.
Der oberste Treppenauftritt stellt sich aufgrund der dort verlegten Granitplatten, welche die oberste Stufe bilden, mit einer (Platten-)Tiefe von 34,5 cm dar. Ihm folgt der mittlere Treppenauftritt mit einer Tiefe von nur noch 30,3 cm. Wer also sein Schrittmaß an den oben verlegten Platten orientiert, verfehlt die mittlere Stufe leicht, da sie mehr als 4 cm kürzer ist als oben und kann damit ins Stolpern geraten.
Nachdem der Höhenunterschied zur mittleren Stufe 14,5 cm (Steigung) beträgt, wird der Nutzer insoweit überrascht, als der Höhenunterschied zur unteren Stufe dann nur noch 12,80 cm beträgt.
Zusammenstellung der vorliegenden technischen Mängel
Abweichungen von der Treppen-DIN 18065:2015-03
- Unterschreiten der minimal zulässigen Steigung und der Auftrittstiefe (Nr. 3.1.a.)
- Unterschreiten der Schrittmaßregel (Nr. 3.1.b.)
- Steigungen und Auftritte mit sich verjüngenden Tiefen (Nr. 3.1.b.)
- fehlende Handläufe (Nr. 3.1.c.)
Abweichungen von der DIN 18040-1:2010-10, Öffentliche Gebäude
- Steigungen und Auftritte mit sich verjüngenden Tiefen (Nr. 3.2.a.)
- fehlende Handläufe (Nr. 3.2.b.)
- fehlende Orientierungshilfen (Nr. 3.2.c.)
Abweichungen von der Bayerischen Bauordnung
- fehlende Handläufe (Nr. 3.3.c.)
- Verstöße gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik (Nr. 3.3.e.)
Fehlende Erkennbarkeit der Ausgleichsstufe (Nr. 3.4)
Diese technischen Mängel führen dazu, dass die Treppe nicht mehr als verkehrssicher angesehen werden kann.
[1]Siehe auch Muster-Krankenhausbauverordnung vom Dezember 1976, § 14 Abs. 3: „Treppen müssen auf
beiden Seiten Handläufe ohne freie Enden haben. Die Handläufe sind über Treppenabsätze und Fensteröffnungen fortzuführen.“
Der Sturzunfall ereignete sich nach dem Verlassen des Klinikums auf der Zuwegung zu den Parkplätzen bei Tageslicht an einer Ausgleichsstufe mit drei Treppenstufen. Diese Treppenstufen, waren weder durch farbliche Markierungen, noch durch farbliche Unterscheidung vom Belag der Treppe und dem Belag der Zuwegung erkennbar; es fehlten Warnhinweise an der Treppen, sowohl mittels Text als auch Piktogrammen.
Die Ausgleichsstufe besitzt drei Steigungen und bildet deshalb einen Treppenlauf nach der Treppen-DIN 18065 DIN 18065:2011-06, Nr. 3.12. Die Abmessungen der Stufen dieses Treppenlaufs sind mit jeweils abweichenden Treppenauftritten und Steigungen unregelmäßig ausgebildet:
erste Stufe von unten (Treppenantrittsstufe) |
Treppenauftritt 30,30 cm |
Steigung 12,80 cm |
mittlere Stufe |
Treppenauftritt 30,30 cm |
Steigung 14,50 cm |
oberste Stufe |
Treppenauftritt 34,50 cm |
Steigung 14,00 cm |
Die vom Bauherren so gewählten Stufenmaße führen zu einem Neigungswinkel der Treppe von 24,7°.
Es ließen sich eine Vielzahl technischer Abweichungen von gesetzlichen und DIN-Vorschriften nachweisen.
Abweichungen von Anforderungen an Treppen nach der Treppen-DIN 18065:2015-03
a. Zulässige Auftrittstiefe und Steigung
Bei Treppen mit mittlerem Neigungswinkel von 24° bis 36° gelten Stufen als ausreichend bemessen, wenn folgende Maße eingehalten werden:
Auftrittstiefe Steigung
26,00 cm bis 32,00 cm 14,00 cm bis 19,00 cm
Gemäß DIN 18065 Nr. 6.1.1. liegt das Minimum einer Steigung, welches nicht unterschritten werden darf bei 14,00 cm.
Auftrittstiefe und Steigung der gegenständlichen Treppe stellen sich wie oben aufgeführt dar. Vorliegend liegt die Steigung an der unteren Treppenstufe mit nur 12,80 cm klar unterhalb des zulässigen Wertes von 14,00 cm und die Auftrittstiefe der obersten Stufe mit 34,50 cm liegt klar oberhalb des zulässigen Wertes von 32,00 cm. Dies stellt einen technischen Mangel dar.
b. Steigungsverhältnisse und Schrittmaßregel
Das Steigungsverhältnis „s/a“ von Treppenstufen muss sich an der (menschlichen) Schrittlänge orientieren, um einen unbeeinträchtigten Bewegungsablauf zu erlauben. Für verschiedene Neigungswinkel treffen unterschiedliche Bemessungsregeln zu. Je steiler eine Treppe ist, desto größer sollte die Schrittlänge gewählt werden. Vorliegend liegt der Neigungswinkel bei 24,7° (siehe Grafik).
Treppen mit mittlerem Neigungswinkel (von 24° bis 36°), wie vorliegend, sollen nach folgender allgemeiner Schrittmaßregel berechnet werden: a + 2s = 59 cm bis 65 cm. Dies ist festgelegt bereits in der DIN 18065, dort in Nr. 6.1.2.
An den Stufen der Ausgleichsstufe ergeben sich konkret die folgende Maße
unterste Stufe a + 2s = 30,30 cm + 25,60 cm = 55,90 cm
mittlere Stufe a + 2s = 30,30 cm + 29,00 cm = 59,30 cm
oberste Stufe a + 2s = 34,50 cm + 28,00 cm = 62,50 cm
Daraus folgt, dass die Schrittmaßregel der DIN 18065, Nr. 6.1.2 an der untersten Stufe unterschritten wird; diese ist somit um 3,10 cm zu kurz gebaut. Dies stellt einen technischen Mangel dar.
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.2 sind Setzstufen (Steigungen) mit sich verringernder Höhe oder Trittstufen (Auftritt) mit sich verjüngender Tiefe nicht geeignet. Dies ist vorliegend der Fall und stellt einen technischen Mangel dar.
c. Fehlende Handläufe
Nach DIN 18065, Nr. 6.9.1 müssen Treppen auf mindestens einer Seite einen festen und griffsicheren Handlauf haben; dessen Höhe im Bereich zwischen 80 cm und 1,15 m liegen darf. Die zu greifende Breite des Handlaufs sollte mindestens 2,50 cm und höchsten 6,00 cm betragen. Auch Art. 32 Abs. 1 BayBO fordert, dass Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf haben müssen[1].
Der im Zeitpunkt des Sturzunfalls fehlende Handlauf stellt einen technischen Mangel der Treppe dar.
Abweichungen von Anforderungen der DIN 18040-1:2010-10, Öffentlich zugängliche Gebäude
a. Steigungen und Auftritte
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.2 sind Setzstufen (Steigungen) mit sich verringernder Höhe oder Trittstufen (Auftritt) mit sich verjüngender Tiefe nicht geeignet. Danach ist die vorliegende Treppe ungeeignet.
b. Handläufe
Gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.3 müssen beidseitig von Treppenläufen Handläufe einen sicheren Halt bei der Benutzung der Treppe bieten. Die Handläufe sind so zu gestalten, dass sie griffsicher und gut umgreifbar sind und keine Verletzungsgefahr besteht.
Im Zeitpunkt des Sturzunfalls war diese Anforderung nicht erfüllt, sodass die Treppe seinerzeit technisch mangelhaft war. Handläufe wurden erst Monate später installiert.
c. Orientierungshilfen an Treppen und Einzelstufen
Die Elemente der Treppe müssen gemäß DIN 18040-1:2010-10 Nr. 4.3.6.4 leicht erkennbar sein; dies wird z. B. erreicht mit Stufenmarkierungen aus durchgehenden Streifen, die folgende Eigenschaften aufweisen
- auf Trittstufen beginnen sie an der Vorderkante und sind 4 cm bis 5 cm breit;
- auf Setzstufen beginnen sie an der Oberkante und sind mindestens 1cm,
vorzugsweise 2 cm breit;
- sie heben sich visuell kontrastrierend gegenüber Tritt- und Setzstufe ab, als auch
gegenüber den jeweils unten anschließenden Podesten ab.
Bei bis zu drei Einzelstufen und Treppen, die frei im Raum beginnen oder enden, muss jede Stufe mit einer Markierung versehen werden. Das Fehlen jeglicher Markierung bzw. Orientierungshilfe stellt einen technischen Mangel der Treppe dar.
Anforderungen der Bayerischen Bauordnung an Treppen in baulichen Anlagen
a. Generelle Anforderungen an die Verkehrssicherheit
Gemäß Art. 14 Abs. 1 BayBO müssen „bauliche Anlagen verkehrssicher“ sein. Die Vorschrift gilt für bauliche Anlagen in all ihren Teilen. Art. 14 Abs. 1 BayBO knüpft an die zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB) an und stellt die öffentlich-rechtliche Forderung an die Verkehrssicherheit neben sie. Der Schutzzweck zielt ab auf den Benutzer baulicher Anlagen im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BayObLG,Urteil vom 05.12.1977, RReg 2 Z 208/76 zu Bauordnungsrechtliche Vorschriften als Schutzgesetz i. S. d. BGB 823).
Jede bauliche Anlage muss so angeordnet, errichtet, geändert und unterhalten werden, dass durch sie für Menschen, die sich darin aufhalten oder verkehren, keine Gefahren entstehen und weder durch sie noch durch ihre Benutzung der allgemeine Verkehr gefährdet wird (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 2 und 3 zu Art. 14).
Die Vorschrift geht von dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz des § 823 BGB aus, dass derjenige, der durch eine bauliche Anlage und durch deren Benutzung für andere Gefahrenquellen schafft, z. B. dadurch, dass er Menschen auf seinem Grundstück verkehren lässt, auch die zur Abwendung der hieraus Dritten drohenden Gefahren notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat. Für die Beachtung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB sind die bauaufsichtsrechtlichen, auf allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen beruhenden speziellen Vorschriften der BayBO heranzuziehen (siehe BayObLG, Urteil vom 05.12.1977, RReg 2 Z 208/76).
Art. 14 BayBO enthält den allgemeinen Grundsatz, dass die bauliche Anlage selbst und die dem Verkehr dienenden, nicht überbauten Flächen bebauter Grundstücke verkehrssicher sein müssen. Dies bedeutet, dass die bauliche Anlage und ganz besonders ihre einzelnen Bauteile, wie Treppen, Flure, so ausgestaltet und unterhalten werden, dass die Nutzung der Anlage möglich ist, ohne dass Gefahren für die sie benutzenden Personen ausgehen (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 1 zu Art. 14).
b. Eingeführte Technische Baubestimmungen und allgemein anerkannte Regeln
Die als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Dies sind vor allem die DIN-Vorschriften, die wichtige Sicherheitsanforderungen formulieren und der Gefahrenabwehr dienen (siehe Bayerische Technische Baubestimmung , BayTB -, vom Oktober 2018). Die BayTB sind wie Rechtsvorschriften zu beachten, hierzu zählen:
- A 4.2.1 Gebäudetreppen DIN 18065:2015-03
- A 4.2.2 Barrierefreies Bauen DIN 18040
- Öffentlich zugängliche Gebäude DIN 18040-1:2010-10
Innerhalb der Gesamtheit der technischen Regeln gibt es eine Gruppe, die allgemein als anerkannte Regeln der Technik anerkannt ist (Art. 3 Abs. 2 Satz 4 BayBO). Diese haben gem. Abs. 2 Satz 4 eine gesetzliche Regelvermutung (DIN-Vorschriften, Vorschriften der Berufsgenossenschaften, besonders Unfallverhütungsvorschriften).
c. Bestimmungen zum Handlauf an Treppen nach Art. 32 Abs. 6 BayBO
Gemäß dieser Bestimmung müssen Treppen einen festen und griffsicheren Handlauf haben (Satz 1). Für Treppen sind Handläufe auf beiden Seiten und bei großer nutzbarer Breite auch Zwischenhandläufe vorzusehen, sowie es die Verkehrssicherheit erfordert.
Für Treppen im Freien, die im Zugang zu Gebäuden liegen, gelten die gleichen Anforderungen wie für Treppen in Gebäuden. Bei Freitreppen mit großem öffentlichen Verkehr können Überdachungen gefordert werden (Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Rd.-Nr. 36 und 41). Nachdem im Zeitpunkt des Sturzunfalls jegliche Handläufe gefehlt haben, stellte dies einen technischen Mangel dar.
d. Anforderungen nach Art. 48 Barrierefreies Bauen und DIN 18040-1:2010-10
Für Einrichtungen des Gesundheitswesens, hier für das Klinikum Ingolstadt, gilt gemäß Art. 48 Abs. 2 Nr. 3 BayBO, dass die dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teile barrierefrei sein müssen. Der einzufordernde Standard wird durch die eingeführten Technischen Baubestimmung DIN 18040 - Barrierefreies Bauen, Planungsunterlagen, Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude DIN 18040-1:2010-10 formuliert. Mit der Bekanntmachung vom 30.11.2012 wurde die Verbindlichkeit dieser Technischen Baubestimmung zum 01.07.2013 eingeführt.
Die Anforderungen an die barrierefreie Erreichbarkeit werden für Einrichtungen des Gesundheitswesens durch die als Technische Baubestimmung eingeführte DIN 18040-1:2010-10 konkretisiert.
Die Abweichungen der bestehenden Treppe im Zeitpunkt des Sturzunfalls von der DIN 18040-1:2010-10, welche zu technischen Mangelhaftigkeit der Treppe führten, wurden oben bereits dargestellt.
e. Anforderungen an Treppen nach den allgemein anerkannte Regeln der Technik
Zu den nach Art. 3 Abs. 2 Satz 4 BayBO als allgemein anerkannte Regeln der Technik beachtlichen Vorschriften zählen auch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, Verkehrswege, ASR A1.8 vom November 2012 sowie Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften.
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 1 lautet:
„Treppen sind so zu gestalten, dass diese sicher und leicht begangen werden können. Das wird erreicht durch ausreichend große, ebene, rutschhemmende, erkennbare und tragfähige Auftrittsflächen in gleichmäßigen, mit dem Schrittmaß übereinstimmenden Abständen.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 2 Satz 2 lautet:
„Die Treppenstufen sollen kontrastreich und möglichst ohne störende Blendung des Benutzers ausgeleuchtet sein.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 4 Satz 2 lautet:
„In Arbeitsstätten darf die Steigung (s) zwischen 14 bis 19 cm, der Auftritt (a) zwischen 26 bis 32 cm und der Steigungswinkel (α) zwischen 24° bis 36° variieren.
In Versammlungsstätten, Verwaltungsgebäude Steigung (s) 15 bis 17 cm
Gewerbliche Bauten, sonstige Gebäude Steigung (s)
16 bis 19 cm.“
Nr. 4.5 Treppen, Abs. 10 lautet:
„Treppen müssen:
- einen Handlauf haben
- an beiden Seiten Handläufe haben, wenn die
Stufenbreite mehr als 1,5 m beträgt und
- Zwischenhandläufe haben, mit denen die Stufenbreite
in zwei gleiche Breitenabschnitte unterteilt wird, wenn
sie mehr als 4,0 m beträgt.“
Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, weicht die Treppe auch von den ASR A1.8 ab, als ihre Stufen weder erkennbar, noch kontrastreich gestaltet sind; an der untersten Stufe mit 12,50 cm die Mindeststeigung in jeder Hinsicht unterschreitet und es ihr im Zeitpunkt des Sturzunfalls an Handläufen ermangelte. Auch nach der ASR A1.8 stellt sich die Treppe also als technisch mangelhaft dar.
Vor dem Hintergrund, dass der von meiner Mandantin eingeschlagene Weg ein ständiger Weg von Beschäftigten des Klinikums ist, weil diesen Weg nämlich die Auszubildenden der verschiedenen Berufsfachschulen des BBZ-Gesundheit sowie die Lehrkräfte der Praktischen Ausbildung gehen müssen, wenn sie vom Schulgebäude an die Arbeitsplätze im Klinikum wechseln, sind insbesondere die nicht verhandelbaren ASR maßgeblich.
Auch soweit technische Maße und Gestaltung der Treppe gegen Vorschriften der Berufsgenossenschaften zur Unfallverhütung verstoßen, liegen Verstöße gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik vor. Diese decken sich weitestgehend mit den vorstehend dargelegten Verpflichtungen des Bauherren bzw. dessen, der die Sachherrschaft ausübt und den öffentlichen Verkehr dort zulässt.
Auch in dieser Hinsicht stellte sich die Treppe im Zeitpunkt des Sturzunfalls als technisch mangelhaft dar.
Fehlende Erkennbarkeit der Ausgleichsstufen als Risikofaktor
Der Sturzunfall meiner Mandantin auf dem Wege vom Hauptausgang des Klinikums über den überdachten Zugang hin zum Schulgebäude ereignete sich, weil meine Mandantin den für sie nicht erkennbaren Treppenlauf der dortigen Ausgleichsstufen benutzen musste.
Für Nutzer, welche sich vom Haupteingang des Klinikum entfernen, ist es aufgrund der baulichen Gegebenheiten wie der baulichen Konstruktion des überdachten Zugangsbereichs, der Ausdehnungen und der Bodenbeläge sowie der Optik und der Lichtverhältnisse erst sehr spät, wenn nicht sogar überhaupt nicht erkennbar, dass sie sich auf eine Treppe zubewegen. Je größer der Abstand von der Treppenanlage ist, desto weniger sind für einen Besucher die vor ihm liegenden Stufen erkennbar. Da beim Verlassen eines Gebäudes gemeinhin ein oder zwei kurze/r Blick/e reichen, um die Beschaffenheit und Barrierefreiheit des vor einem liegenden Weges zu prüfen, kommt in diesem Fall die Treppenanlage umso überraschender.
Auf die Existenz der Treppe wird der Besucher heute, nicht aber zum Unfallzeitpunkt meiner Mandantin, durch von weitem erkennbare Handläufe hingewiesen.
Der oberste Treppenauftritt stellt sich aufgrund der dort verlegten Granitplatten, welche die oberste Stufe bilden, mit einer (Platten-)Tiefe von 34,5 cm dar. Ihm folgt der mittlere Treppenauftritt mit einer Tiefe von nur noch 30,3 cm. Wer also sein Schrittmaß an den oben verlegten Platten orientiert, verfehlt die mittlere Stufe leicht, da sie mehr als 4 cm kürzer ist als oben und kann damit ins Stolpern geraten.
Nachdem der Höhenunterschied zur mittleren Stufe 14,5 cm (Steigung) beträgt, wird der Nutzer insoweit überrascht, als der Höhenunterschied zur unteren Stufe dann nur noch 12,80 cm beträgt.
Zusammenstellung der vorliegenden technischen Mängel
Abweichungen von der Treppen-DIN 18065:2015-03
- Unterschreiten der minimal zulässigen Steigung und der Auftrittstiefe (Nr. 3.1.a.)
- Unterschreiten der Schrittmaßregel (Nr. 3.1.b.)
- Steigungen und Auftritte mit sich verjüngenden Tiefen (Nr. 3.1.b.)
- fehlende Handläufe (Nr. 3.1.c.)
Abweichungen von der DIN 18040-1:2010-10, Öffentliche Gebäude
- Steigungen und Auftritte mit sich verjüngenden Tiefen (Nr. 3.2.a.)
- fehlende Handläufe (Nr. 3.2.b.)
- fehlende Orientierungshilfen (Nr. 3.2.c.)
Abweichungen von der Bayerischen Bauordnung
- fehlende Handläufe (Nr. 3.3.c.)
- Verstöße gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik (Nr. 3.3.e.)
Fehlende Erkennbarkeit der Ausgleichsstufe (Nr. 3.4)
Diese technischen Mängel führen dazu, dass die Treppe nicht mehr als verkehrssicher angesehen werden kann.
[1]Siehe auch Muster-Krankenhausbauverordnung vom Dezember 1976, § 14 Abs. 3: „Treppen müssen auf
beiden Seiten Handläufe ohne freie Enden haben. Die Handläufe sind über Treppenabsätze und Fensteröffnungen fortzuführen.“