10. Oktober 2016

Missachtung der nachbarrechtlichen Abstandsflächen interessiert nicht die Baubehörde

Das Landgericht Memmingen (22 O 707/16) hat einem Bauherren - unter Androhung eines Ordnungsgelds von bis zu 250.000 € untersagt, mit den Arbeiten an einem - von der Stadt Neu-Ulm - baugenehmigten Anbau an einem Wohnhaus zu beginnen. Die Baugenehmigung war von der Stadt Neu-Ulm im vereinfachten Verfahren (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) erteilt worden. Weil bei dieser Verfahrensart die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen nicht mehr geprüft werden muss, kann ein durch Verletzung der Abstandsvorschriften betroffener Nachbar nur noch vor den Zivilgerichten zu seinem Recht kommen.

Der vor dem Landgericht Memmingen erfolgreiche Nachbar konnte sich darauf berufen, dass aufgrund eines bereits auf der Grenze stehenden Nebengebäudes durch die Hinzufügung des Anbaus eine praktisch geschlossene, durchgehende Gebäudewand von mehr als 16 m Länge entstanden wäre. Deshalb könne sich der Bauantragsteller nicht auf das 16-m-Privileg (nach Art. 6 Abs. 6 BayBO) berufen. Hätte es sich bei dem Nebengebäude um eine Grenzgarage (Nutzung zur Unterbringung von Kraftfahrzeugen) gehandelt, dann wäre der Nachbar nicht erfolgreich gewesen, weil dann wiederum die Grenzgarage privilegiert gewesen wäre und sich innerhalb der Abstandsfläche hätte befinden dürfen (Art. 6 Abs. 9 BayBO). Weil das Nebengebäude jedoch weder für die Unterstellung von Kraftfahrzeugen nutzbar ist, noch eine Verbindungstür zur Garage aufweist, steht fest, dass ihm keine Privilegierung zukommt. Jedenfalls entsteht aufgrund der Fallgestaltung der Eindruck einer durchgehenden, über 16 m langen Wand, welche die Besonnung des benachbarten Grundstücks beeinträchtigen würde. Nebengebäude und Wohngebäude sind daher als aneinandergebaute Gebäude i. S. v. Art. 6 Abs. 6 BayBO anzusehen. Für den Nachbarn und gegen den Bauantragsteller sprach weiter, dass der Grenzabstand zu einem anderen Nachbargrundstück vom Bauantragsteller wissentlich oder unwissentlich unzutreffend angegeben worden war.